Keynote von Roman Schneider auf dem HipHop-Symposium 2024: „Wir spitten Feuer gegen die Kälte“ – Warum Deutschrap für die Sprachforschung besonders tight ist, welche methodischen Ansätze Props einheimsen — und womit auch derbe Algorithmen strugglen.

Am Samstag, 9.11.2024, erläuterte Roman Schneider beim HipHop-Symposium in der Popakademie Mannheim in seiner Keynote, welchen Wert authentische Raps für die Erklärung sprachlicher Phänomene und Systematiken haben.
Dabei ging er auf sprachliche Dynamiken im HipHop in den Bereichen Wortschatz, Morphologie, Syntax und Pragmatik ein. Über die popkulturell-gesellschaftliche Bedeutung von Hiphop ist schon manches gesagt worden, aber längst nicht alles und aus akademischer Perspektive unverkennbar noch nicht von allen potenziell relevanten Akteuren. Innerhalb der Germanistik — also derjenigen Disziplin, die sich genuin der Erforschung deutscher Sprache widmet — haben sich lange Zeit ausschließlich Literaturwissenschaftler damit beschäftigt, die tradierte Fokussierung auf „hochkulturelle“ Lyrik zu überwinden und Songlyrics qualitativ und quantitativ zu durchleuchten. Die linguistische Forschung dagegen hat den Wert authentischer Raps — und von Songtexten überhaupt — als Grundlage für die Erklärung sprachlicher Phänomene und Systematiken erst vor kurzem entdeckt.
Roman Schneider stellte in seinem Vortrag außerdem das „Songkorpus“ (songkorpus.de) als eine einzigartige wissenschaftliche Datenquelle vor, die neben Hiphop auch viele andere Genres dokumentiert, mit linguistisch motivierten Metadaten anreichert und empirisch auswertbar macht. Dabei geht es nicht allein um kreative Wortschöpfungen und Codeswitching, sondern um ein breites Innovationsspektrum in Syntax, Morphologie, Sprachgebrauch und -ökonomie. An Beispielen wurde gezeigt, welche Suchanfragen im Songkorpus möglich sind, u.a.: Welche geografischen Eigennamen erscheinen in deutschen HipHop-Texten? Welche Neologismen und Okkasionalismen finden wir in deutschen Songtexten? In welchen Kontexten wird „spitten“ in deutschen HipHop-Texten verwendet? In seinem Vortrag präsentierte Roman Schneider aktuelle Erkenntnisse — und deckte nebenbei auf, warum die texttechnologische Analyse populärer Songs Charterfolge noch lange nicht programmierbar macht.
